Rede der Fraktionsvorsitzenden Karin Wagner zur Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung am 24.04.2023

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
werte Kolleginnen und Kollegen,
 
mit der heutigen Sondersitzung sollen in allerletzter Minute bestehende Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung
aufgehoben werden. Mit sehr weitreichenden Folgen nicht nur für die Stadt Rodgau, sondern auch für das Busunternehmen
Schau ins Land der Firma Hain.
Mit allerkürzesten Fristen wurde vergangenen Freitag zu einer gemeinsamen Ausschussitzung von HaFi und Umwelt- und
Verkehrsausschuss geladen.
Am heutigen Montag Abend soll entschieden werden, ob die Stadtwerke das Wasserstoffkonzept weiterverfolgen und ob die
Stadt weiterhin einen eigenen Stadtbus betreibt oder nicht. Selbstverständlich kann man die Finanzierbarkeit solch
ambitionierer Zukunftsprojekte einer erneuten Prüfung unterziehen.
Wir erwarten von einem verantwortungsvollen Bürgermeister sogar, dass er uns über mögliche Finanzierungslücken oder
andere Bedenken in Kenntnis setzt. Bündnis 90 / Die Grünen erwarten allerdings auch, dass dies zeitnah geschieht und unter
Darlegung neuer Erkenntnisse.
Das ist aber nicht geschehen. Es entsteht leider der Eindruck, dass der Sinneswandel des Bürgermeisters vielmehr auf den
neuen Mehrheitsverhältnissen beruht.
Bereits im Februar zitierte die OP Breitenbach, dass ein erster Förderantrag zur Errichtung einer Wasserstofftankstelle
abgelehnt worden sein. Den Grund dafür konnten wir inzwischen in den Unterlagen nachlesen: wegen der Vielzahl
der eingegangenen Anträge war der Topf überzeichnet. Im Ablehungsbescheid wird darauf hingewiesen, dass bei
künftigen Förderaufrufen erneut ein Antrag gestellt werden kann.
In der OP war zu lesen, dass Wirtschaftlichkeitszahlen für die Fotovoltaik vorlägen, das Wasserstoffprojekt werde noch
geprüft.
Unsere heutiger Wissensstand: Die erneute Prüfung von Rödl & Partner lag im Januar 2023 bereits vor – mit Update vom 7.
März. Welche Änderungen das Papier erfahren hat, wissen wir nicht. Wir erhielten die Fassung vom März der
Wirtschaftlichkeitsprüfung von Rödl & Partner zu Wasserstoffproduktion und -verkauf überhaupt erst aufgrund
unserer Nachfrage am Dienstag vergangener Woche. Also drei Tage vor der anberaumten Sondersitzungen.
Fazit & Handlungsempfehlung von Rödl & Partner: „die weitere Projektierung der Wasserstofftankstelle inkl.
Elektrolyseur kann empfohlen werden.“
BM MB hat das Parlament somit keineswegs zeitnah informiert. Er hat auch keine neuen Zahlen und Erkenntnisse
geliefert, die seine Zweifel belegen würden. Wasserstoff wird teurer. Das wird der Strom aus der Steckdose aber auch.
In der Sonder-Ausschussitzung am Freitag betonte der Bürgermeister Breitenbach mehrfach, das sei ein „sehr
emotionales Thema“. Die Einschätzung teile ich nicht. Für uns geht es um Daten und Fakten und um einen fairen Umgang
miteinander.
Wir verschließen uns nicht neuen Erkenntnissen. Aber – Herr Bürgermeister – sie haben keine neuen Erkenntnisse und auch
keine neuen Zahlen vorgelegt.
Neu ist, ist eine neue Mehrheit.
Neu ist, dass aus dem Magistrat Drucksachen vorgelegt werden, deren Begründung mündlich erfolgt. Max Breitenbach
hat in der Sonderausschuss-Sitzung ohne Unterstützung der Experten – wie das sonst üblich ist – seine Bedenken in einer
PPP mitgeteilt. Weder ein Vertreter der Stadtwerke noch Rödl & Partner waren anwesend, um die Ausschussmitglieder von
dem vorgetragenen Kurswechsel zu überzeugen.
Neu ist auch, dass so weitreichende Beschlüsse, wie die Einstellung des Rodgauer Stadtbusses in nicht öffentlicher
Sitzung behandelt werden.
Sehr geehrter Herr Breitenbach. Uns haben Sie nicht überzeugt.
Sicher handelt es sich bei dem Wasserstoffkonzept um ein ambitioniertes Projekt. Doch die Kostenkalkulationen sind im
Wesentlichen gleich geblieben. Was sich geändert hat sind die Energiekosten. Also die Betriebskosten beispielsweise für das
Betanken der Busse. Doch die sind für alle Betriebsarten gestiegen. Energie wird teurer. Das wird vorerst auch so
bleiben. Egal ob Diesel, Benzin, Strom aus Wind oder Sonne oder eben Wasserstoff. Der Energiebearf wird steigen – und
die Kosten diese Energie zu erzeugen, ebenfalls. Deshalb ist es ja so interessant, selbst Energie zu erzeugen und auch selbst
erzeugte Energie selbst zu nutzen oder auch zu verkaufen. Deutschland hat sich ambitionierte Ziele zur Reduktion der
Treibhausgasemissionen gesetzt: Bis 2030 sollen die Emissionen um mindestens 55 % gegenüber 1990
zurückgehen. Das sind noch 7 Jahre.
Angesichts der Energie- und Klimakrise, setzen wir mit eigener Photovoltaik, selbst produziertem grünen Wasserstoff
und Elektrolyseur auf Zukunftsenergien – mit Potenzial zum Geld verdienen.
Welche Auswirkungen und auch welche Kosten, die von Ihnen eingeleitete Rolle rückwärts hat, können wir nicht abschätzen.
– Das Busunternehmen Hain hat einen gültigen Vertrag. Ob man sich einig wird oder nicht, wissen wir nicht. Die Einigung
– außergerichtlich oder auch nicht – wird voraussichtlich teuer.
– Was es bedeutet, wenn Hain die zugesagte Fördersumme von 1,7 Mio. € nicht in Anspruch nehmen kann, wissen wir nicht.
– Wie es mit den Schulbussen weitergehen soll, wissen wir nicht. Wenn die kvg dies übernehmen will, so werden trotzdem
die Kosten dafür über die Kreisumlage ebenso bezahlt werden müssen, wie die Kosten für den Hopper.

Sehr geehrter Herr Breitenbach. Sie hatten einen klaren Auftrag. Die Beschlüsse dafür lagen vor.
Weder Ihre Zahlen, noch Ihre Argumente – und schon gar nicht ihr Vorgehen – überzeugen uns.

 Wir lehnen alle Anträge ab. 

 

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