Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,
dem Haushalt der Stadt Rodgau für das Jahr 2015 wird meine Fraktion – wohl nicht zu Ihrer Überraschung – zustimmen.
Nicht, weil wir mit ihm wunschlos zufrieden wären, das wird man als Kommunalpolitiker in einer Koalition realistischerweise nie sein können. Sondern weil
er unsere politischen Zielvorstellungen weitgehend abbildet und in Richtung Haushaltsausgleich derzeit nicht mehr zu machen ist.
Ich sage Ihnen ganz offen, wir hätten uns einen ausgeglichenen Haushalt in diesem Jahr gewünscht, vermutlich wie alle anderen Anwesenden in diesem Raum auch. Zum einen, weil zusätzliche Schulden zukünftige Generationen belasten. Und bisherige Schulden irgendwann auch mal abgebaut werden müssen. Zum anderen aber auch deswegen, weil es dieser Stadtverordnetenversammlung wieder das volle Recht gäbe, ohne Genehmigung der Kommunalaufsicht zu entscheiden, wie wir hier in Rodgau Kommunalpolitik machen wollen. Denn viele Dinge können wir derzeit nicht umsetzen, obwohl wir sie gerne machen würden. Dazu gehört die Aufwertung und Schaffung neuer Grün- und Erholungsflächen, der soziale Wohnungsbau – der immer dringender erforderlich ist –, die Instandhaltung der Infrastruktur, also vor allem von Straßen und auch der städtischen Gebäude. Und vor allem würde die finanzielle Förderung von Familien und Kindern hier in Rodgau nicht fortlaufend von der Kommunalaufsicht oder der Opposition zur Disposition gestellt.
Aus diesem Grund nimmt auch meine Fraktion viel in Kauf und macht es sich alles andere als einfach, um möglichst rasch einen Ausgleich des Haushalts zu erreichen.
Wenn Kommunalpolitik über das große Ziel Haushaltsausgleich redet, dann geht es immer um zwei Dinge: Nämlich um Einsparungen. Und natürlich um Erhöhung der Einnahmen.
Zum Thema Ausgaben haben wir gestern und auch heute Abend eine ganze Menge gehört.
Ich denke aber: Wenn man über Einsparungen redet, hält man sich meines Erachtens am besten an die Fakten.
Fakt ist: Diese Stadt wird laut Plan im Jahr 2015 im Ergebnishaushalt etwa 80,4 Mio. EUR ausgeben. Das sind pro Einwohner etwa 1.850,- EUR. 2012 haben alle hessischen Kommunen pro Einwohner deutlich mehr ausgegeben, nämlich fast 2.900,- EUR. Das hört sich ziemlich abstrakt an, deswegen machen wir es konkreter: Die Stadt Dreieich, die nicht viel kleiner als Rodgau ist und aufgrund ihrer Lage und Struktur ähnliche Voraussetzungen hat, wird 2015 laut Plan etwa 2.350,- EUR pro Einwohner ausgeben, also knapp 25 Prozent mehr. Schon daran sieht man, meine Damen und Herren, dass
Rodgau auf den ersten Blick nicht über seine Verhältnisse lebt.
Im Gegenteil: Obwohl wir für die Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements und viele soziale Angebote sehr gerne viel Geld ausgeben und wir uns mit unseren Angeboten und Leistungen im Vergleich zu anderen nicht verstecken brauchen, stehen wir auf der Ausgabenseite vergleichsweise sehr gut da.
Selbstverständlich könnte man durch Streichung aller freiwilligen Leistungen den Haushalt mehr als ausgleichen. Doch das wollen wir nicht. Und Sie, meine Damen und Herren der Opposition, wollen das auch nicht, sonst hätten Sie ja entsprechende Anträge gestellt.
Deswegen kann man natürlich trotzdem über Ausgabenkürzungen sprechen. Aber sich hier hinzustellen und Kürzungen im Kulturbereich, also dem städtischen Theater- und Kleinkunstprogramm, beim Betrieb des Badesees oder beim ehemaligen Lager Rollwald vorzuschlagen, verringert das strukturelle Defizit nicht wesentlich und ist ansonsten sehr selektiv und nahezu willkürlich. Wieso schlagen Sie keine Kürzung der Vereinsförderung oder eine Schließung der Bürgerhäuser vor? Ich sage es Ihnen: Weil Ihnen das eine wichtiger ist, als das andere. Dabei sollten Sie einfach mal öfter das kulturelle Angebot der Stadt wahrnehmen und besuchen, um zu wissen, was diese Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger daran haben.
Meiner Fraktion und der Kooperation sind alle diese freiwilligen Leistungen jedenfalls gleichermaßen wichtig und förderungswürdig. Und wir maßen uns nicht an, dass eine ggü. dem anderen zu bevorzugen.
Deswegen bezog sich der beschlossene Änderungsantrag der Kooperation auch auf andere Bereiche. Und auch hier ist klar zu sagen: Das, was hier jetzt eingespart wird, ist ein Signal, dass wir alle Möglichkeiten versuchen zu nutzen. Aber tatsächlich sind alle diese Ausgaben notwendig und werden letztlich nur verschoben.
Es gibt keinen Stellenüberhang von 5 Prozent oder freie Ausgabenreserven in Millionenhöhe, auf die wir selbst Einfluss hätten. Jedenfalls dann, wenn der heutige Standard und das heutige Angebot in dieser Stadt unverändert beibehalten werden soll. Aber das wollen wir ja alle: Den Standard im Wesentlichen beibehalten, im Idealfall sogar noch verbessern.
Diese Stadtverwaltung arbeitet effizient und besser, als viele andere. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Stadt Rodgau immer mehr Aufgaben erledigt, weil sie andere nicht mehr erledigen können und wollen.
Der Kreis Offenbach hat sich vor rund zehn Jahren dazu entschieden, alle Schulen im Kreis auf einmal zu sanieren (anstatt Schritt für Schritt, wie bspw. andere Kreise und Städte), was diesen Kreis viele hundert Millionen EUR gekostet hat und kosten wird. Deswegen – und wegen hoher Sozialausgaben – ist der Kreis aber schon heute mit über einer Milliarde EUR verschuldet. Und es wird ständig mehr. Man hat viele sanierte Schulgebäude, nur wird man spätestens nach Ende der jetzt laufenden
Verträge kaum noch Geld haben, diese weiter angemessen zu unterhalten. Mit der Folge, dass der Zustand der Schulen in spätestens 10-20 Jahren nicht besser sein wird als vor zehn Jahren zum Beginn des PPP-Projekts. Nur mit dem Unterschied, dann wirklich kein Geld mehr für Sanierungen zu haben. Und wenn Sie mir das nicht glauben: Schon in den letzten 1-2 Jahren wurde die PC-Ausstattung der Schulen aufgrund der finanziellen Situation halbiert. Das nennt man wirklich kurzfristige Symbolpolitik zulasten der kommenden Generationen.
Und das hat auch ganz konkrete Auswirkungen für uns hier in Rodgau: Denn weil der Kreis kein Geld mehr hat, hat er – um nur mal zwei Beispiele zu nennen – den weiteren Ausbau der Ganztagsschulen eingestellt und auch die professionelle Betreuung von Flüchtlingen durch Sozialarbeiter des Kreises erfolgt nur im Mindestmaß, wenn – jeder möge sich das vorstellen – ein hauptamtlicher Sozialarbeiter 100 Flüchtlinge betreuen soll. Das sind die Fakten.
Weil das aber wichtige Aufgaben sind, nimmt sich diese Stadt nun zu einem wesentlichen Teil diesen Aufgaben an und wird dafür jedes Jahr Geld aufbringen und weiterhin alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer im Flüchtlingsbereich – ohne die das nicht funktionieren würde und denen man nicht genügend Anerkennung aussprechen kann – nach Kräften unterstützen.
Wir machen das gerne und mit vollem Einsatz, weil wir gut ausgebildete Kinder und die Vereinbarkeit von Familien und Beruf brauchen. Weil wir Flüchtlingen mit oft schlimmen Schicksalen eine Zuflucht geben wollen.
Wie alle Kreiskommunen leiden wir aber unter der desaströsen Haushaltspolitik des Kreises – direkt und indirekt.
Kommen wir zur Einnahmenseite:
Rodgau wird laut Plan 2015 etwas weniger als 1.800,- EUR pro Einwohner einnehmen, also rund 77 Mio. EUR. Im Vergleich zu Dreieich sind das auch etwa 25 Prozent weniger.
Im Vergleich zu Dreieich fällt vor allem eines ins Auge: Während Dreieich 2015 mit Rekord-Gewerbesteuereinnahmen von 35 Mio. EUR plant, planen wir – für unsere Verhältnisse ebenfalls Rekord – mit 17 Mio. EUR, also rund der Hälfte. Hätten wir diese Einnahmen, wir würden hier nicht über kostenfreie Kindergartenplätze diskutieren.
Die Ursache dafür kann nicht in den Steuersätzen liegen. Dreieich nimmt nämlich 370 Punkte bei der Gewerbesteuer, nur geringfügig weniger als hier in Rodgau geplant wird. Bei der Grundsteuer nimmt Dreieich sogar 500 Punkte, also deutlich mehr als wir. Und die Kindergartenplätze kosten dort auch was. Auf die Steuersätze scheint es also nur bedingt anzukommen, auch wenn manche Unternehmerverbände hier gerne anderes verlauten lassen.
Eine wesentliche Ursache für die vergleichsweise geringen Rodgauer Einnahmen scheint mir zu sein, dass man das Thema Wirtschaftsförderung viel zu lange dem Prinzip Zufall überlassen hat und sehr selektiv vorging, wenn es Ansiedlungsanfragen gab.
Nun haben wir seit ein paar Jahren einen Wirtschaftsförderer. Und es gibt in Dudenhofen auch ein neues Gewerbegebiet. Die Weichen für mehr Ansiedlungen wurden also insbesondere von der Kooperation gestellt. Und wenn man nun all die Unkenrufe hört und liest wegen der sich nicht erfüllenden Erwartungen in Sachen VGP, muss man sagen, dass es ohne neues Gebiet sicher auch nicht mehr Neuansiedlungen geben würde.
Gerade meiner Fraktion – und das sage ich hier ehrlich – ist die Zustimmung nicht leichtgefallen, weil hier in großem Umfang Flächen versiegelt wurden und werden. Aber zu nachhaltiger Politik gehört auch, diese Stadt nicht nur ökologisch und familienfreundlich, sondern auch nach Möglichkeiten finanzkräftiger zu machen.
Eine andere Einnahmenquelle, über die derzeit ganz Hessen diskutiert, ist der Kommunale Finanzausgleich. Und im Gegensatz zu vielen anderen Kommunalpolitikern ist es meines Erachtens Unsinn, wegen der kommunalen Finanzprobleme mit dem Finger pauschal auf das Land zu zeigen und nach mehr Geld zu rufen. Nicht, weil das Land selbstverständlich die von ihm delegierten Aufgaben bezahlen muss. Oder weil zufällig gerade meine Partei an der Landesregierung beteiligt ist. Darauf muss und will ich hier keine Rücksicht nehmen.
Wenn aber zwei Drittel der hessischen Bürgerinnen und Bürger 2011 in einer Volksabstimmung für das Verbot neuer Schulden ab 2020 gestimmt haben, kann man doch nicht allen Ernstes erwarten, dass das Land nunmehr das Füllhorn auspackt, wenn es selbst bis 2020 noch viele Milliarden einsparen muss, selbst aber kaum Einfluss auf seine Einnahmenhöhe hat. Und die Bundesregierung gleichzeitig lieber ihre schwarze Null vor sich herträgt, anstatt mehr Geld abzugeben.
Offensichtlich hat kaum jemand derjenigen, die damals mit „Ja“ gestimmt haben, bedacht, dass das für einen Schuldenstopp benötigte Geld ja nicht vom Himmel fällt. Und dass man mit Ausgabenkürzungen nicht weit kommt, wenn man bspw. die Kinderbetreuung fortlaufend ausbauen will und muss.
Dass man nun den finanziellen Druck auf die Kommunen drastisch erhöht, gefällt mir ebenso wenig wie allen anderen hier im Raum, überraschend ist es trotzdem nicht. Zumal auf Dauer fortlaufend neue Schulden zu machen auch keine Alternative sein kann.
Statistisch gesehen tragen diejenigen, die sich ständig und laut über steigende kommunale Steuersätze beschweren, genau dafür überwiegend die Verantwortung.
Deswegen bin ich der Überzeugung, dass die Situation sicher nicht wesentlich anders oder gar besser wäre, würde der stellv. Ministerpräsident das Kürzel TSG tragen oder gar aus Seligenstadt stammen. Auch wenn die Kritik der Opposition sicher genauso realitätsfern und polemisch wäre.
Im Übrigen ist das vorgelegte Konzept für den Kommunalen Finanzausgleich des Landes deutlich nachvollziehbarer und systematischer als das bisherige, bisher gab es nämlich gar kein System. Und wenngleich mich das Konzept nicht vollständig überzeugt, so wird Rodgau am Ende davon voraussichtlich profitieren und zu einem ausgeglichenen Haushalt beitragen.
Weil wir nun auch weiterhin keine Kindergartenbeiträge für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren einführen wollen, bleibt nur die Erhöhung der Steuersätze für Grund- und Gewerbesteuer auf eine erträgliche Höhe, um überhaupt eine Haushaltsgenehmigung zu erreichen. Nicht weil wir es gerne tun, sondern weil ein Ausgleich sonst nicht zu schaffen ist.
Und auch nach der Erhöhung werden wir uns mit den Steuersätzen innerhalb des Kreises im Mittelfeld bewegen.
Wir haben bereits gestern sehr eingehend zu dem Thema Kindergartenbeiträge diskutiert, wo viel richtiges und weniger richtiges gesagt wurde: Mir stellt sich aber immer wieder die Frage, warum es gerecht sein soll, Kindergartenbeiträge zu nehmen, wenn – beispielhaft – dieselben Leute es für ungerecht halten, Straßenbeiträge zu erheben? Obwohl das eine am Ende für die Betroffenen meist genauso teuer kommt wie das andere? Profitieren Gesellschaft und Eltern von beidem jeweils nicht gleichermaßen? Warum ist es gerechter, Eltern 200-300 EUR pro Kind und Monat für einen Kindergartenplatz zahlen zu lassen und nicht alle gemeinsam – also auch die Eltern – 200-300 EUR im Jahr? Weil die Eltern dafür sorgen, dass morgen und übermorgen Ihre und vielleicht auch irgendwann mal meine Rente bezahlt werden kann?
Es wird nie ein System geben können, das alle Ungerechtigkeiten ausgleicht. Aber für gesamtgesellschaftliche Aufgaben – und dazu gehören Nachwuchsförderung und Bildung allemal – sollten alle gleichermaßen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit aufkommen. D.h. die Menschen und Eltern mit hohen Einkommen und modernen Häusern mehr, und die Mieter einer Wohnung eben weniger.
Meine Damen und Herren,
Rodgau ist Vorbild im Kreis Offenbach und darüber hinaus. In ökologischer, sozialer und finanzieller Hinsicht. Während in anderen Kommunen über angeblich horrende Kosten der FSC-Zertifizierung aufgrund gezielter Desinformation diskutiert wird, machen wir es einfach, weil es gut für den Wald und die Bürgerinnen und Bürger ist. Während sich der Kreis bis heute mit fadenscheinigen Argumenten weigert, an seinen Kreisstraßen Blühflächen einzurichten, machen wir es einfach, weil es gut für die Umwelt und Bürgerinnen und Bürger ist. Während der Kreis Offenbach erst im Dezember durch eine 15prozentige Erhöhung der Gebühren für Tagesmütter die Eltern weiter belastet und damit bei einem Kostendeckungsgrad von an die 40 Prozent liegt, bleiben wir bei unseren familienfreundlichen und verlässlichen Zusagen kostenfreie Kitaplätze. Und während in vielen Kommunen kein Ende der Steuerspirale
absehbar ist, ist in Rodgau der Haushaltsausgleich und der Beginn des Schuldenabbaus in greifbarer Nähe.
Das muss uns erst mal jemand nachmachen. Und deswegen ist und bleibt die Kooperation gut für Rodgau.
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