Podiumsdiskussion Jugendhaus

Intensive Gespräche vor und nach der Podiumsdiskussion

Zu einem großen Wiedersehen wurde die Podiumsdiskussion der Grünen zum 50 jährigen Bestehen des Jugendhaus Dudenhofen. Nach einem Zeitsprung in das Jahr 1974 in dem neben dem Jugendhaus auch der VW Golf und Playmobil das Licht derWelt erblickt, wirkten sich auch in der damaligen selbständigen Gemeinde Dudenhofen die Ausläufer der Studentenbewegung aus.
Um den Kern der evangelischen Jugendgruppe bildete sich mit der Wanderjugend, dem Jugendrotkreuz und den Jusos die Aktion Jugendhaus, die sich als Verein organisiert hat, um mit den damaligen Gemeindevertretern verhandeln zu können.
Ausgestattet mit den Einnahmen duch die Ansiedlung des Opel Testgeländes und dem nahenden Zusammenschluss der Rodgau-Gemeinden wurde für ca. 500.000 DM das Jugendhaus gebaut und 1974 nach langen Verhandlungen an die Jugendlichen des Vereins Aktion Jugendhaus übergeben.
„Was wir wollten, war Freizeit ohne Kontrollen“, so Reiner Conrad, der auch auf abgebrochene Schlichtungsverhandlungen zwischen Selbstverwaltung und Stadtverwaltung einging.

Wolfgang Hätscher-Rosenbauer berichtete, dass die Gemeinde statt der benötigten 60.000 DM für den Jahresbetrieb lediglich die Hälfte bereit stellte und damit die Arbeit im Jugendhaus von Anfang an unter finanziellen Notlagen und enormer Selbstausbeutung stattfand.
Lediglich ein angestellter Sozialarbeiter und teilweise zwei Zivildienstleistende versuchten den ganzwöchigen Betrieb aufrecht zu erhalten. Schon am Anfang wurden ehrenamtlich Seminare mit Schulabgängern, arbeitslosen Jugendlichen und Mädchengruppen durchgeführt. Neben dem Veranstaltungsraum waren eine Fahrradwerkstatt, eine Holzwerkstatt, Siebdruck und Fotolabor eingerichtet, was den Bildungsanspruch der Betreibenden zeigt. Auch Hausaufgabenhilfe für Grundschüler und „Gastarbeiter-Kindern“ gehörten zum Programm, das auch an Wochenenden und Abends statt fand. „Auch die Ferienspiele hatten Ihren Anfang im Jugendhaus Dudenhofen und wurden in den ersten Jahren von Aktion Jugendhaus initiiert und organisiert“, so Wolfgang Hätscher-Rosenbauer.

Später kam die Arbeit mit Jugendlichen die wohnsitzlos oder straffällig geworden sind hinzu. Damit einher ging eine Überforderung der Selbstverwaltungsstruktur, die durch knappe Finanzmittel noch verschärft wurde.
Schon nach einem Jahr hat die Gemeinde die Zahlungen vollständig eingestellt. Zur Finanzierung wurden nun von den Jugendlichen zunehmend Musikkonzerte organisiert. Die Eintrittseinnahmen und der Getränkeumsatz trugen trotz geringer Gewinnmargen nun den wesentlichen Teil zum Betrieb bei. Reinhard Prekel, den die meisten als „Blacky“ und langjährigen Betreiber der Kulturbühne „Wiener Hof“ kennen, berichtet von bundesweit und auch internationalen Bands die das Jugendhaus zum angesagten Veranstaltungsort machten. Aus dem Publikum wurden die Namen der irischen Folk-Band „Wild Geese“ oder die später berühmt gewordenen „Die drei Tornados“ erinnert. „Bei diesen Wochenendkonzerten waren bis zu 300 Besucherinnen und Besucher keine Seltenheit“ so Reinhard Prekel.
Als wichtige Einnahmequelle fanden solche Konzerte wöchentlich statt und wurden von Plakatwerbung bis Durchführung und Bandübernachtung von den Jugendlichen selbst organisiert.
Doch diese Konzerte, an die sich oft intensive Partys anschlossen, schafften auch zunehmend Probleme mit Getränkekonsum und Hausordnung, was wiederum das Verhältnis zur Gemeinde belastete. Das steigerte sich zu Reaktionen wie dem Abstellen des Stromes und sogar dem verschließen des Hauses durch die Gemeinde..
Auch solche Probleme liessen sich von den damaligen Jugendlichen aber mit einem geliehenen Notstromaggregat oder dem erwirken einer einstweiligen Verfügung gegen die Stadtverwaltung bewältigen. Reiner Conrad betont „trotz aller Widrigkeiten ist das Jugendhaus bis 1976 ohne Zuschüsse der Gemeinde über die Runden gekommen“.

Vollversammlungen bei Kerzenlicht, Besetzungen des Jugendhaus, Protestaktionen bei der Eröffnung des Bürgerhaus und noch viele weiter Anekdoten riefen bei den Besuchern der Diskussionen viele Erinnerungen wach.
Lehrer Scholz, damals Lehrer an der benachbarten Grundschule hob die hervorragende Schülerarbeit der Aktion Jugendhaus hervor, auch die aktive politische antifaschistische Arbeit wurde von einem Besucher angesprochen. Inge Liller aus Dudenhofen lebt heute in Frankfurt und dürfte damit die weiteste Anreise gehabt haben. Sie berichtete sehr eindrücklich von der persönlichkeitsbildenden Zeit im Jugendhaus und der Teilnahme in den dortigen Mädchengruppen, die im deutlichen Kontrast zum damaligen dörflichen Frauenbild standen. „Diese Erfahrungen haben mir Welten geöffnet und wesentlich zum eigenen Selbstvertrauen beigetragen.“
Walter Koser konnte aus der damaligen Zeit viele Fotografien von Wandbildern und Veranstaltungen beitragen, die nach der Veranstaltung bei den Gästen noch viele weitere Erinnerungen wachgerufen haben.


Alle Podiumsteilnehmer beschreiben Ihre Zeit bei der Aktion Jugendhaus als wesentliches Element ihrer Persönlichkeitsentwicklung, die sich auch auf die Berufswahl und den Berufserfolg ausgewirkt hat. Obwohl z.B. Reinhard Prekel zunächst für das seinerzeit erforderliche Anerkennungsjahr als Sozialarbeiter keine Stelle im Kreis Offenbach gefunden hatte und hierzu bis Wiesbaden wechseln musste. Auch in den Lebensläufen von Wolfgang Hätscher-Rosenbauer und Reiner Conrad finden sich Berufsbilder wie Sozialarbeiter, Jugendreferent oder Jugendvertreter.

Die Podiumsdiskussion machte deutlich, dass das Jugendhaus Dudenhofen zu einem wesentlichen Teil der Rodgauer Stadtgeschichte gehört, das zu seiner Anfangszeit bundesweite Beachtung fand und sogar im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ thematisiert wurde.

Fotos: Intensive Gespräche vor und nach der eigentlichen Veranstaltung prägten den Abend.
Die Podiumsteilnehmer: vlnr Reiner Conrad, Wolfgang Hätscher-Rosenbauer, Moderator Werner Kremeier und Reinhard „Blacky“ Prekel

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