Haushaltsrede zum Haushalt 2020 von Karin Wagner

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

es liegt in der Natur der Sache, dass die Opposition kritisiert und die Regierungsmehrheit lobt und verteidigt. Das gilt selbstverständlich auch für den Haushalt der Stadt Rodgau.

Nun kann man allerdings ganz objektiv feststellen, dass die Verwaltung auch in diesem Jahr wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt. Diese positive Entwicklung aus einer Schuldenkrise ging und geht durchaus mit regulierenden Eingriffen und Vorgaben von Bund und Land einher. Wenn die Finanzkraft und Lebenssituation in Deutschland nicht überall gleich ist, man sich aber gleiche Lebensbedingungen für alle überall wünscht, ist es nachvollziehbar, dass die vorhanden Geldmittel umgelenkt werden müssen. Wie und an welcher Stelle, ob das ausreicht oder nicht, unterliegt nun dem politischen Diskurs und der politischen Entscheidung.

Die Finanzverfassung  eines Staates wird zunächst einmal über Steuern geregelt. Der kommunale Finanzausgleich sichert in Deutschland den Gemeinden die finanziellen Grundlage ihrer Selbstverwaltung. Diese Regulierungsverfahren werden immer wieder angepasst. So wurde das Berechnungsverfahren für den Kommunalen Finanzausgleich aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs  dahingehend geändert, dass sich die Schlüsselzuweisungen an der tatsächlichen Finanzkraft einer Kommune orientieren müssen. Kommunen mit unterdurchschnittlichen Ausgaben sollen durch höhere Schlüsselzuweisungen profitieren. Rodgau gehört zu den Kommunen mit unter durchschnittlichen Ausgaben und erhält somit insgesamt höhere Zuwendungen.

Weitere regulierende Eingriffe waren die Umstellung kommunaler Haushalte von einer kameralistischen in eine doppische Buchführung, die wir in Rodgau ebenfalls schon sehr früh (2007) umgesetzt haben.

Um die finanziellen Miseren vieler Kommunen in den Griff zu bekommen, waren in den letzten Jahren weitere Eingriffe notwendig. Die Schuldenbremse wurde eingeführt und ganz aktuell werden mit dem „Starke Heimat-Gesetz“ und insbesondere der hessischen Variante – die Kommunen zusätzlich entlastet. Im Rodgauer Haushalt können Sie auf der Seite 28 die bislang lediglich als Modellberechnung eingeplanten Ansätze nachlesen.

Rodgau erhält voraussichtlich
1,2 Millionen € als Heimatzulage,
rund 786 Tausend € zur Stärkung der Kinderbetreuung
rund 100.000 Tausend € zur Digitalisierung
und rund 831.000 Tausend € zusätzliche Schlüsselzuweisungen.
Insbesondere der Sonderweg, den Hessen mit dem „Starke-Heimat-Hessen-Gesetz“ gegangen ist, wurde und wird als Eingriff in die Kommunale Selbstverwaltung kritisiert. Allerdings stellen alle staatlichen Regulierungen Eingriffe da. Auch Steuern, KFA und Schuldenbremse.

Der Bund erwirtschaftet aktuell Milliardenüberschüsse und provoziert damit Forderungen und Ansprüche, wie die Überschüsse verteilt werden sollen.
Wir diskutieren in Rodgau den Rodgauer Haushalt. Wir haben keine Millionen Überschüsse – wir haben am Ende des Tages allenfalls einen kleinen Überschuss.
Jedoch sind alle Bürger in Rodgau auch Hessen, Bundesbürger, Europäer und Weltbürger. Und überall stellt sich die Frage der Verteilung und Verteilungsgerechtigkeit.

Wenn in Rodgau über zu viel Zuzug geklagt wird – alles werde zugebaut – muss nach Wegen gesucht werden, wie die ländlichen Regionen eben nicht ausbluten. Damit junge Menschen nicht abwandern und in die Ballungsräume ziehen, müssen die Kommunen im ländlichen Raum Kindergartenplätze und Schulen erhalten und Straßen finanzieren und sanieren können. Wovon sollen sie das bezahlen? Es muss selbstverständlich ein Ausgleich geschaffen werden.
Das gilt für Hessen für Ost und West-Deutschland, für die europäischen Länder genauso wie weltweit.  

Die Aufrechterhaltung der kommunalen Infrastruktur gehört zum Kerngeschäft jeder Kommune. Es gibt Aufgaben, zu denen eine Kommune hoheitlich verpflichtet ist, andere Aufgaben werden freiwillig übernommen. Die Kinderbetreuung gehört zu den hoheitlichen Pflichten einer Kommune.
Wir wollen gute Kindergärten und gute Schulen für unsere Kinder. Für die Schulen ist der Kreis zuständig, für Kindergärten die Kommune. Die Stadt Rodgau betreut ca. 2.000 Kindergartenkinder in 27 Kindertageseinrichtungen. Dazu kommen 318 Kleinkinder in 19 Einrichtungen.

Das alles kostet Geld und muss finanziert werden.

Dafür stehen der Stadt Rodgau in diesem Jahr Erträge aus Steuern in Höhe von rund 86 Millionen € zur Verfügung. Davon wird rund die Hälfte in Kreis- und Schulumlage fließen. Von den verbleibenden rund 45 Mio. € sind rund 29 Mio Personalkosten. Die Hälfte davon – nämlich rund 14 Mio. € – kostet das Kindergartenpersonal.
Da bleibt für alles andere tatsächlich nicht mehr all zu viel übrig, wenn man bedenkt, dass für das neue Funktionsgebäude am Strandbad mit Duschen und Sanitäranlagen im aktuellen HH rund 1 Mio. bereit gestellt werden.
 
Nun gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, was unbedingt zum „Kerngeschäft einer Kommune“ gehört. Weitgehend unstrittig ist die Zuständigkeit einer Kommune für Straßen, Kindergärten, Friedhöfe. Darüber hinaus gibt es ein breites Feld an Themen, für die der Bürgermeister, die Verwaltung, die Politik ebenfalls sorgen sollen.
Zu nennen wären da ausreichend Einkaufsmöglichkeiten, günstiger Wohnraum und Ärzteversorgung. Für alles soll die Kommune sorgen. Wie das finanziert werden kann, ist erst einmal nebensächlich. Das Wie – die Ausgestaltung im Detail – lässt ebenfalls viel Spielraum für alle möglichen Vorstellungen, Wünsche und Ansprüche – von Öffnungs- und Schließzeiten angefangen bis zu dem Pflegezustand von Straßen und Grünflächen.

Der neue Forstamtsleiter von Hessen Forst, der auch für den Rodgauer Wald zuständig ist, kommt aus Norddeutschland und stellt durchaus eklatante Unterschiede zu den Ansprüchen im Rhein-Main-Gebiet und seiner Heimat fest. Die Erwartung der hiesigen, lokalen Bevölkerung an ein engmaschiges   und selbstverständlich gut gepflegtes Wegenetz auch im Wald, hat ihn überrascht. Da gibt es offensichtlich Unterschiede.

Allein das Straßennetz der Stadt Rodgau – ohne Waldwege – misst über 170 Kilometer, Tendenz steigend.
Die langgestreckte Stadt Rodgau verfügt über sehr viele Straßen und erfreulicherweise auch (noch) über viel Grün. Auch hier gehen die Vorstellungen und Ansprüche, welcher Pflege-Zustand angemessen ist weit auseinander. Manche klagen über zu viel Grünschnitt, andere über zu wenig. Wer eine Wohnung sucht, klagt über mangelnden Wohnraum; wer eine Bleibe hat, kritisiert den Schwund von Grünflächen.

In Bürgergesprächen wird uns häufig vorgeworfen, es würden zu viele Baugebiete ausgewiesen. Mag sein. Die Baugebiete wurde bereits vor vielen Jahren in den regionalen Flächennutzungsplänen festgeschrieben. Noch vor wenigen Jahren gab es Befürchtungen zur Überalterung unserer Gesellschaft. Nun suchen viele Menschen in der Region Arbeit, die sie hier offensichtlich auch finden. Es gibt Menschen, sich eine Wohnung in der Stadt nicht leisten können. Und es gibt junge Familien, die verständlicherweise mit ihren Kindern lieber im Grünen wohnen wollen als in der Großstadt. Was man ihnen nicht verdenken kann.
Solange Arbeitsplätze in den Ballungsräumen geschaffen werden, wird es Zuzug in diese geben.
Bündnis 90 / Die Grünen verweigert sich diesem Bedarf nicht. Wir sind aber auch nach wie vor der Meinung, dass Innenverdichtung Vorrang haben muss, vor weiterem Flächenfraß. Wobei selbstverständlich Grünzüge erhalten bleiben müssen. Deshalb haben für uns Mehrfamilienhäuser Vorrang vor Einfamilienhäusern.

Darüber hinaus soll der naturschutzfachliche Ausgleich für die diversen Baumaßnahmen in Rodgau selbst statt finden und nicht irgendwo in der Rhön, im Spessart oder im Odenwald. Auch dafür wurde gesorgt. Das Ökokonto der Stadt wurde aufgefüllt.

All diese politischen Entscheidungen finden ihren Niederschlag im Haushalt, indem wir beispielsweise finanzierbaren Wohnraum fördern und gleichzeitig in den nächsten Jahren jährlich 100 Bäume im Innenstadtbereich pflanzen werden.

Wir investieren – trotz knapper Kassen – in Kinderbetreuung, in kommunales Grün und auch den Rodgauer Wald und sind der Meinung dass sich das in der Zukunft auszahlt.
Wir sind auch der Meinung, dass Kultur und Bildungsangebote zu den wichtigen Standortfaktoren einer Kommune gehören.
Wir fördern unsere Stadtteil-Büchereien und finanzieren ein Theaterprogramm, das Besucher und Gäste aus der ganzen Umgebung anzieht.
Wir verfügen über 6 S-Bahnhaltestellen und betreiben zusätzlich einen Stadtbus.
All das leisten wir uns, trotz knapper Kassen. Die Entscheidungen zwischen Notwendigem und dem Wünschenswertem werden gesellschaftlich und politisch verhandelt. Die Frage ist, was wir finanzieren müssen, was wir uns darüber hinaus leisten können und was vielleicht außerdem noch wünschenswert wäre – aber ohne Umverteilung oder Steuererhöhungen nicht finanziert werden kann.  

In diesem Sinne repräsentiert der Rodgauer Haushalt das Machbare.
Wir danken allen Mitarbeitern aus der Verwaltung für ihr Engagement und stimmen der Vorlage zu.

Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Rodgau am 17./18.02.2020 Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von Karin Wagner

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

 

 

 

 

 

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